Ellen Holland-Moritz | Leipzig

„Scholz Notizen I“
Oper Leipzig, Juni 2004

Ich hatte bereits einige Choreografien und Ballette von Uwe Scholz gesehen und wollte mehr.
Umso schöner, dass die Oper Leipzig für Juni 2004 die Premiere der „Scholz Notizen I“
angekündigt hatte.

Der Kritiker der LVZ monierte nach der Premiere, dass der Choreograph offensichtlich kein
komplettes Werk mehr zustande brächte, nun würde der „Zettelkasten“ auf die Bühne geworfen.
Einige Abende später saß ich im Opernhaus.
Der Abendsegen aus Humperdincks „Hänsel und Gretel“, „Isoldes Tod“ von Richard Wagner,
inszeniert auf der Piazza in Venedig, getanzt von Christoph Böhm und Sibylle Naundorf, die
Händel-Arie „Care selve, ombre beate“ aus „Atalanta“ (Solo von Kiyoko Kimura), dazwischen wie
eingestreut Gedichte von Rilke („Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort. Sie sprechen alles so
deutlich aus…“) – die Trauer, die in alledem steckte, traf mich mit Wucht.

Ich bestaunte – wieder einmal – die unglaubliche Musikalität von Uwe Scholz, seine, wie ich finde,
einmalige Fähigkeit, die Partitur via Tanz, Bewegung, Choreografie sichtbar zu machen und so
dem Zuschauer ein tiefes Verständnis des zugrundeliegen Musikstücks zu geben – insbesondre in
den „Notations I – IV“ von Pierre Boulez oder dem Solo „Speaking in Tongues I“.
Aber in allen Stücken dieses Ballett-Abends waren eine große Traurigkeit, ein Gefühl der
Ausweglosigkeit, der Trostlosigkeit greifbar. Ich bewunderte Uwe Scholz dafür, in seiner Kunst so
nahbar zu sein und für seinen Mut, sich als so verletzlich zu offenbaren.
Berührt und betroffen fuhr ich zurück nach Hause.


Uwe Scholz wolle in der folgenden Spielzeit ein Sabbatical nehmen, gab die Oper Leipzig
bekannt.
Am 21. November 2004 starb Uwe Scholz in Berlin.

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