Kerstin Herrlich | 62, Galeristin; Leipzig

Durch meine Tätigkeit im Westflügel und in anderen Theatern/ Kultureinrichtungen habe ich schon viele interessante (schöne, berührende, nachdenklich machende) Kunsterlebnisse gehabt.

Ein Erlebnis war aber besonders einprägend, da es sehr schön und unerwartet war – das Konzert im Westflügel mit Steve Nieve.

Ich weiß nicht mehr genau wann das war – 2015? – es war ein Gastspiel – zusätzlich zum regulären Spielplan. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht an den Teamsitzungen beteiligt war, hatte ich Entstehung und die Vorbereitungen zu diesem Konzert nicht mitbekommen – lediglich die Ankündigung auf Facebook.

Mir sagte weder der Name Steve Nieve noch Elvis Costello etwas und der Beitrag auf Facebook war für mich nicht sonderlich aufschlussreich bzw. habe ich ihn nicht genügend beachtet.

Umso überraschter war ich, als ich in den Westflügel kam und im Saal stand ein Steinway-Flügel (ich hatte kurz zuvor eine Führung in der Spinnerei organisiert und dabei auch Station im Klavierhaus Fiech (Steinwayvertretung) gemacht und kannte daher den Wert eines solchen Instrumentes) – meine erste Reaktion – wow – wie hat man den in die erste Etage gebracht…

Die Besucherresonanz auf dieses Konzert war sehr schlecht – Michael Vogel war sehr besorgt, ob Steve das Konzert überhaupt vor so einer kleinen Besucherzahl spielt – wir waren ca. 15 Gäste – aber er spielte und wie! – und das Konzert war so fantastisch. Teilweise sehr besinnliche Stücke, die sich aber sehr oft steigerten. Man hatte das Gefühl, dass er mit dem Instrument verwachsen ist gleichzeitig aber auch die Besorgnis, dass er den Flügel zerstört. Ich war so begeistert – ich weiß nicht wie lange das Konzert ging – ich hatte völlig das Zeitgefühl verloren – es hätte noch ewig gehen können.

Auch nach dem Konzert war der tolle Moment für mich noch nicht vorbei. Steve Nieve und Jim Whiting standen dann noch auf (einen?) Whisky an der Bar und auch Steve (der ja normalerweise in überfüllten Konzerthallen spielt) war von dem Konzert begeistert – er erklärte, dass es für ihn ein besonderes Gefühl gewesen sei, wie eine Art Wohnzimmerkonzert in einem so tollen großen Saal. Die Begeisterung der Zuhörer hat sich somit auch auf ihn übertragen, was für mich wieder sehr schön war zu hören.

Mir hat es einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, Kunst live zu erleben. Eine digitale Vorstellung kann nie das Erlebnis, den Energieaustausch zwischen Künstler und Besucher und auch zwischen den Besuchern ersetzen.

Ich wünsche mir bald wieder Normalität und nochmal ein Konzert mit Steve Nieve.

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